Analyse: Europas Ambitionen für souveräne Cloud- und KI-Infrastruktur

Veröffentlicht am 09.11.2025 11:15 Blog (DE)

Analyse: Europas Ambitionen für souveräne Cloud- und KI-Infrastruktur

Quelle: Investing.com, Autor: Navamya Acharya, veröffentlicht am 9. November 2025

1. Zusammenfassung des Artikels

Der Artikel beschreibt die zunehmenden Bemühungen der Europäischen Union (EU) und ihrer Mitgliedstaaten, digitale Souveränität im Bereich Cloud und Künstliche Intelligenz (KI) zu erlangen. Angesichts der Dominanz von US-Anbietern wie Amazon, Microsoft und Google (zusammen über 80 % Marktanteil im europäischen IaaS-Markt) fördert die EU den Aufbau eigener, rechtlich und technisch souveräner Cloud-Infrastrukturen.

Laut Gartner machten sogenannte „sovereign clouds“ 2024 etwa 10 % des europäischen Cloud-Markts aus; bis 2028 soll dieser Anteil auf 47 % steigen – ein Wachstum von 86 % pro Jahr. Trotz höherer Betriebskosten (10–20 % über Public Cloud) wird der Trend durch regulatorische Rahmenbedingungen wie die DSGVO, den EU Data Act und den Data Governance Act gestützt.

Ein zentrales Element der Strategie ist der geplante „Cloud and AI Development Act“, der eine Verdreifachung der europäischen Rechenzentrumskapazitäten sowie Investitionen von 200 Mrd. € in KI vorsieht. Davon entfallen:

  • 20 Mrd. € auf fünf große „AI-Gigafactories“ mit jeweils über 100 000 Prozessoren
  • 10 Mrd. € auf 13 kleinere Fabriken mit rund einem Viertel dieser Kapazität

Unternehmen wie Deutsche Telekom, SAP, RWE, IONOS, HOCHTIEF und Dassault Systèmes beteiligen sich an Initiativen zur Errichtung solcher Infrastrukturen. Die EU-Kommission hat bereits 76 Interessenbekundungen aus 16 Mitgliedstaaten erhalten.

2. Zentrale Akteure

| Akteur | Rolle / Beitrag | |--------|-----------------| | EU-Kommission | Steuerung des Cloud- und KI-Ausbauprogramms; Investitionsförderung | | Deutsche Telekom | Aufbau einer souveränen Industrie-KI-Cloud in München mit 10 000 GPUs | | SAP | Technologiepartner, kein direkter Betreiber oder Investor | | IONOS & HOCHTIEF | Bewerber für den Bau von AI-Gigafactories | | RWE | Energiepartner für Rechenzentrumsstandorte (ehemalige Kohle- und Kernkraftwerke) | | Dassault Systèmes / Outscale | Teilnahme am französischen „NumSpot“-Projekt mit SecNumCloud-Zertifizierung |

3. Chancen

  • Digitale Souveränität: Reduzierung der Abhängigkeit von US-Cloud-Giganten.
  • Regulatorische Resilienz: Konformität mit europäischen Datenschutz- und Sicherheitsstandards.
  • Industriepolitischer Impuls: Aufbau von Hochleistungsrechenzentren stärkt die EU-Wettbewerbsfähigkeit.
  • Regionale Wertschöpfung: Standortentwicklung durch Reindustrialisierung (z. B. Nutzung ehemaliger Kraftwerksgelände).

4. Risiken und Herausforderungen

  • Kostenfaktor: 10–20 % höhere Betriebskosten gegenüber Public Clouds.
  • Fragmentierung: Nationale Projekte könnten ohne Koordination zu Insellösungen führen.
  • Technologieabhängigkeit: Weiterhin hohe Abhängigkeit von US-Chips (z. B. Nvidia H100).
  • Marktdynamik: US-Unternehmen reagieren schnell mit lokalen Compliance-Angeboten (z. B. EU Data Boundary von Microsoft).

5. Bewertung nach strategischem Rahmen (Prompt-Kriterien)

| Kategorie | Bewertung | Begründung | |------------|------------|------------| | Politische Tragweite | Hoch | EU positioniert Cloud und KI als strategische Schlüsseltechnologien | | Technologische Relevanz | Sehr hoch | Fokus auf Hochleistungsrechenzentren und KI-Compute | | Wirtschaftliches Potenzial | Mittel bis hoch | 200 Mrd. € Investitionsvolumen; starke Förderlogik | | Regulatorischer Einfluss | Hoch | EU Data Act und Governance Act als Treiber | | Souveränitätswirkung | Hoch | Aufbau eigener Infrastruktur und Zertifizierungsmodelle | | Nachhaltigkeit / Energiebezug | Mittel | Kooperation mit Energieversorgern (RWE), aber hoher Strombedarf |

6. Schlussfolgerung

Der Artikel verdeutlicht, dass Europa im Begriff ist, Cloud- und KI-Souveränität als industriepolitisches Großprojekt zu begreifen. Während der technologische und regulatorische Rahmen klar definiert ist, wird die Umsetzung von Finanzierung, Energieverfügbarkeit und internationaler Wettbewerbsdynamik abhängen.

Langfristig könnte Europas Ansatz zu einem dritten digitalen Modell führen – zwischen US-amerikanischer Kommerzialisierung und chinesischer Staatslenkung –, vorausgesetzt, die Projekte werden effizient koordiniert und technologisch offen gestaltet.


Analystische Einordnung:

Der Artikel spiegelt eine strategische Wende wider: KI- und Cloud-Infrastruktur werden als Teil europäischer Autonomiepolitik verstanden. Entscheidend wird sein, ob Projekte wie die geplanten „AI-Gigafactories“ tatsächlich umgesetzt werden – und ob europäische Chips, Software und Governance-Strukturen Schritt halten können.